In den Siebzigern ist es vor allem Interrail, das viele junge Menschen in ganz Europa verlockt, viele Länder "in vollen Zügen" zu genießen - manchmal im wahrsten Sinn des Wortes. Mich führen in dieser Zeit gleich vier Reisen in viele Länder Europas:
- 1974: Frankreich, Spanien, Portugal, England
mit Christoph Ladanyi, Rudi Hammerl und Hannes Wegscheider unternehme ich nach der Matura meine erste Interrail-Reise: Sie führt zuerst für eine Woche nach Paris, dann über Südfrankreich (Avignon, Carcassonne) ins Baskenland. In San Sebastian verbringen wir einige Tage, bevor es weiter über antiago de Compostela nach Porto und Lissabon geht. Zürück nach Spanien nach Madrid, El Escorial - mit einem Abstecher in die Höhlen von Altamira - und wieder zurück nach Frankreich. Hier sind einige Loireschlösser und Versailles die wichtigsten Ziele. Zuletzt geht es noch nach London, wo wir noch einen letzten Hauch von Hippie-Kultur genießen. Aus heutiger Sicht sind es vor allem die wenigen Touristen, die damals die Sehenswürdigkeiten besuchen. Andererseits war das Reisen damals ziemlich mühsam, vor allem wenn man an die Grenzübertritte denkt: Mitten in der Nacht werden im Zug die Pässe abgesammelt, und man muss zittern, ob man sie jemals wieder zurück bekommt. Natürlich war es auch nicht so einfach zu Informationen zu kommen. Meist erfuhr
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Eine saftige Wassermelone als Stärkung |
man erst an Ort und Stelle, wann der nächste Zug geht. Und dann natürlich das Geldwechseln: Anstellen am Bankschalter (zum Wochenende natürlich geschlossen). Trotzdem war es eine faszinierende Reise, die mir erstmals viele Kultur- und Naturschätze im Westen und Süden Europas erschlossen hat.
- 1976: Skandinavien und mehr
Nach zwei Jahren Geographie-Studium ist wieder eine Interrail-Reise geplant. Diesmal sind zwei männliche Studienkollegen (Heini Zwittkovits, Karl Heinz Hochschorner) und eine gewisse Maria Eigl mit von der Partie. Die Reise führt zuerst in den hohen Norden: Oslo, Bergen und Trondheim sind die ersten Stationen, weiter geht es in den Norden Schwedens nach Kiruna und mit der Erzbahn nach Narvik. Jedes neue Ziel wird gleichsam zum Objekt unserer geographischen Wissenserweiterung. Weiter führt unsere Tour nach Finnland, wo wir an der Ostgrenze zum ersten Mal die geschlossene Grenze zu Russland (der damaligen Sowjetunion) besuchen. Helsinki, Turku, mit der Fähre nach Stockholm, Kopenhangen - wir fressen die Kilometer und verbringen viele Nächte im Zug. In Luxemburg besuchen wir einen Studienkollegen und machen uns dann auf in den Süden. Ein kurzer Abstecher in der Schweiz (Eigergletscher), dann beschließen wir in den Süden zu fahren. In überfüllten Zügen geht es nach Rom und Neapel. Nach der Besichtigung von Pompej treten wir die Heimreise an.
Ein Bild? Bin noch auf der Suche...
- 1978: Irland, England, Frankreich
Wieder geht es mit dem Zug auf Reisen: diesmal in den Westen. Herta Schoisl und Maria (noch heißt sie Eigl) begleiten mich. Die erste Geduldsprobe steht uns in London bevor: Weil die Eisenbahn streikt, können wir nicht nach Schottland, sondern brechen in Richtung Irland auf. In Holyhead stehen wir uns stundenlang die Füße in den Bauch, um ein Ticket für die Fähre zu ergattern. Auf der grünen Insel angelangt, warten aber tolle Erlebnisse. In Galway leihen wir ein Auto und erkunden die irische Westküste. Nach einem kurzen Abstecher von Dublin nach Belfast kehren wir wieder nach England zurück. Einige Tage London, Land's End in Cornwall, Brighton - dann geht es nach Frankreich. Hier nutzen wir regelmäßig die Nachtzüge: zu dritt in einem Abteil ersparen wir uns die Nächtigung und sind einen Tag im Süden, einen Tag im Norden. So lernen wir viele Gebiete Frankreichs kennen: Briancon und eine Wanderung in den savoyischen Alpen, Zentralmassiv und eine Wanderung auf den Puy de Sancy, Tarnschluchten, Loireschlösser und Chartres sind die Ziele. Zurück geht es dann durch die Schweiz und über München. Trotz einiger kleiner Hoppalas (Herta verstaucht sich den Fuß, mein Pass ist für einen Tag "abgängig") ist schlussendlich alles bestens.
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Mit Herta und Maria im Westen Irlands |
- 1980: vom Nordkap bis an die Algarve
Die Zeit des Studiums ist zu Ende, und noch einmal geht es auf eine große Europatour mit der Bahn. Diesmal wird fleißig geplant: mit dem Auslandskursbuch der DB und dem internationalen Jugendherbergsverzeichnis. Mit von der Partie Maria mit ihrer Schwester Traude und mein Bruder Gerhard. In nicht einmal drei Tagen sind wir im Norden Schwedens, der Bergbaustadt Kiruna. Dort ist ein Leihwagen reserviert, mit dem wir eine Woche lang durch den Norden Skandinaviens touren: über den finnischen "Nordzipfel" nach Tromsö, dann die Fjordlandschaft entlang nach Norden (das Nordkap lassen wir links liegen). Zurück in Kiruna, fahren wir mit der Erzbahn nach Narvik. Ein kleiner Abstecher auf die Lofoten, mit einem Schiff der Hurtigroute nach Bodö. Von hier treten wir die lange Reise nach Mitteleuropa an (Stopp in Amsterdam). In Salzburg betreten wir kurz heimatlichen Boden, um dann in den Süden weiterzureisen: Carcassonne, Lourdes, Lissabon sind die Ziele. Weiter an die Algarve, Granada, Sevilla in Spanien. Dann wird es Zeit, an die Rückreise zu denken. Ein Tag in Paris (man will ja den jüngeren Geschwistern was zeigen), und mit dem "Orient-Express" (den gab es damals noch) geht es dann mit einem kurzen Stopp in Müchen zurück nach Hause. Das Resümee: 8 Länder, viele tolle Eindrücke, ein Rentierfell, Unmengen von Dias und das Bewusstsein, so eine Reise zum letzten Mal gemacht zu haben.
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mit großem Gepäck in Narvik |
Nach vier Interrail-Reisen habe ich viele Länder Europas kennen gelernt. Die Kombination mit einem Mietwagen war eine gute Möglichkeit, auch Gebiete auch abseits der Bahn zu bereisen. In diesen wenigen Jahren hat sich einiges geändert: Es wurde einfacher, zu Geld zu kommen (Euroschecks), trotzdem blieb die Notwendigkeit, sich in jedem Land auf eine neue Währung einzustellen. Und mit Öffnungszeiten war es nach wie vor nicht so einfach. Außerdem blieb ein großer Teil Europas (jenseits des Eisernen Vorhangs) unentdeckt. Und nicht zuletzt war auch das Interesse für diesen Teil des Kontinents noch nicht geweckt.
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Tausende Kilomenter im Zug - hier im Süden Spaniens |